Die unterzeichnenden Mathematikerinnen und Mathematiker der TU Wien wenden sich aus aktuellem Anlass mit dem folgenden Anliegen an die Universitätsleitung.
Die neuerdings im Rahmen der „Lernergebnisorientierung“ eingeführten sprachlichen Empfehlungen/Vorschriften für die Beschreibung von Lehrveranstaltungen in TISS sind für uns nur in geringem Umfang sinnvoll umsetzbar. Auch sind die uns für die Wortwahl vorgeschlagenen Einschränkungen wie „schwache Verben vermeiden“ und in besonderem Maß die Empfehlung/Vorschrift, auf das Wort „verstehen“ zu verzichten, von unserem Standpunkt aus abzulehnen. Sie laufen auf eine sinnentstellende Verkürzung dessen hinaus, was universitäre Lehre (zumindest) im Fach Mathematik zu leisten hat.
Das zentrale Ziel der Lehre – und damit auch das aus Sicht der Studierenden primär anzustrebende Lernergebnis – besteht darin, dass sich die Studierenden breites Wissen erschließen sowie ein vertieftes Verständnis ihres Fachs und eine wissenschaftliche Kultur erarbeiten. Dies gilt umso mehr für die Mathematik, deren Inhalt ja vielfach aus komplexen Zusammenhängen zwischen abstrakten Begriffen besteht. Der vorgeschriebene Halbsatz: „Nach positiver Absolvierung der Lehrveranstaltung sind Studierende in der Lage,...“ verschleiert, dass Wissen und Verständnis das übergeordnete Ziel bleiben müssen.
Die Fähigkeit, das erworbene Wissen anzuwenden, ist eine Konsequenz eines gründlichen Verständnisses und wohl ein wichtiges Anliegen neben noch wichtigeren, nicht jedoch das primäre Ziel einer an Grundlagen und Forschung orientierten Lehre. Würde die Lernergebnisorientierung, so wie sie uns kommuniziert wurde, umfassend umgesetzt (und das nicht nur bei der Beschreibung der Lehre), unterstützte sie ein „teaching to the test“, eine Orientierung auf den Erwerb von einigen wenigen Kompetenzen. Ein Verzicht auf den vor allem in der Mathematik so wichtigen Erwerb von Verständnis wird dem Anspruch einer Universität nicht gerecht.
Um die resultierende Diskrepanz zwischen Vorgaben und sinnhaften Möglichkeiten zu vermeiden, appellieren wir an die Verantwortlichen, von den erwähnten sprachlichen Maßregelungen Abstand zu nehmen. Man möge uns Wissenschaftler_innen und Hochschullehrer_innen vertrauen, dass wir selber wissen und auch formulieren können, worauf es in unseren Fächern und Lehrveranstaltungen ankommt.
Die Initiatoren: M. Baaz, M. Goldstern, S. Hetzl, R. Winkler
Die Unterzeichner:
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